6.4 Der Weg zum Patent
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Von der Anmeldung bis zur Erteilung des Patents können mehrere Jahre vergehen
Zur Erlangung eines Patentes muss eine Patentanmeldung bei einem nationalen oder regionalen Patentamt (z. B. Deutsches Patent- und Markenamt oder Europäisches Patentamt) eingereicht werden. Je nach Art und Ort der Anmeldung werden unterschiedliche Patentgesetzeangewandt. Bei beiden Ämtern kann auch eine internationale Patentanmeldung nach dem Patent Cooperation Treaty(PCT) eingereicht werden. In einer PCT-Anmeldung können derzeit über 130 Staaten benannt werden, in denen die Anmeldung gültig sein soll. Erst nach 30 Monaten ab dem Prioritätstag müssen dann die einzelnen nationalen Anmeldungen vor den einzelnen nationalen Ämtern fortgeführt werden, d.h. die nationalen Phasen (Übersetzung in die jeweilige Landessprache, Vertretung durch Patentanwalt vor Ort) eingeleitet werden.
Um das Erlangen eines internationalen Patentschutzes zu erleichtern, kann die Prioritätder ersten Anmeldung ein Jahr lang in anderen Ländern in Anspruch genommen werden, außer für Anmeldungen aus und in Ländern, die nicht der Pariser Verbandsübereinkunftbeigetreten sind. Das heißt, man kann eine Patentanmeldung in Deutschland am 8. Januar 2002 einreichen und hat dann ein Jahr bis zum 8. Januar 2003 Zeit, um sie in anderen Ländern einzureichen. Dabei kommt es auf den Eingang des Antrags beim jeweiligen Patentamt an (first to file), so dass für die Bearbeitung effektiv weniger Zeit verbleibt, da Anmeldungen normalerweise in der Amtssprachedes jeweiligen Landes abgefasst sein müssen. Vor dem Deutschen Patent und Markenamt können Anmeldungen in jeder anerkannten Sprache eingereicht werden, wenn binnen 3 Monaten eine entsprechende Übersetzung ins Deutsche nachgereicht wird. Beim Europäischen Patentamtsind (abhängig von der Nationalität des Anmelders) prinzipiell alle europäischen Amtssprachen zur Anmeldung möglich. Das EPA erlaubt ferner die Durchführung von Verfahren auf Englisch, Deutsch oder Französisch.
In den USAgibt es nicht diese oben beschriebene first to file Regel (wer hat als erster die Anmeldung eingereicht? Datum dokumentiert durch die Patentbehörde), sondern die Regel first to invent [12](wer hat als erster die Erfindung gemacht. Datum muss vom Erfinder durch Aufzeichnungen dokumentiert und vom Erfinder beeidigt werden), welche eine Neuheitsschonfrist von einem Jahr einräumt, das heißt, die Erfindung darf ein Jahr lang öffentlich bekannt sein, und trotzdem kann noch ein Patent darauf angemeldet werden. Dies kann zu Rechtsunsicherheit führen, besonders in den USA, weil der Ausgang von Rechtsstreitigkeiten, in denen der Tag der Erfindung bewiesen werden muss, kaum vorhersehbar ist. Deshalb wäre eine Angleichung an internationale Prioritätsstandards wünschenswert, die jedoch in nächster Zeit nicht zu erwarten ist.
Allen nationalen und regionalen Patentsystemen ist gemeinsam, daß nach Anmeldung die zuständige Patentbehörde den Stand der Technik, d.h. bereits veröffentlichte technische Dokumente, recherchiert. Darauf folgt üblicherweise, nach einigen grundlegenden Prüfungen, die Prüfung des Anmeldegegenstands gegenüber dem recherchierten Stand der Technik hinsichtlich (1.) Neuheit (Frage: Sind alle Merkmale der Anmeldegegenstand bereits in einem Beispiel beschrieben ?), (2.) Erfinderischer Tätigkeit (Frage: Kommt ein Fachmann im Wissen des Stands der Technik ohne weiteres auf den Anmeldegegenstand ?) und (3.) Klarheit (Frage: Ist der Schutzumfang, d.h. der beanspruchte Anmeldegegenstand, genau festgelegt ?). Hierauf hat der Anmelder die Möglichkeit, sich mit geeigneten Merkmalen, die in der Anmeldung genannt sind, gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen oder Klarheit herzustellen. Der abgegrenzte Anmeldegegenstand wird dann erneut der Prüfung unterzogen. Ende des Erteilungsverfahrens ist die Erteilung oder die Ablehung. Der Verbietungsschutz durch das Patent beginnt in den meisten Ländern mit der Veröffentlichung des Patents oder einem ähnlichen Vorgang.
6.4.1 Erfindung
Patentierbare Erfindungensind Lehren zum planmäßigen Handeln, die einen kausal übersehbaren Erfolgunter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte ohne Zwischenschaltung verstandesmäßiger Tätigkeiten reproduzierbar herbeiführen.
Entdeckungen, also z. B. Erkenntnisse, wie etwas funktioniert, und insbesondere Pflanzensorten und Tierarten, werden vom Gesetz nicht als technische Erfindungen angesehen und sind daher nicht patentierbar. Eine planmäßige Nutzung einer Entdeckung (z. B. Extraktioneines Wirkstoffes aus einer Pflanze) ist jedoch wieder patentfähig, wenn der Wirkstoff bekannt, jedoch die Wirkung (d.h. die planmässige Nutzung) bislang unbekannt war.
Ein vermeintliches Perpetuum Mobileist nicht per se von einer Patentierung ausgenommen, jedoch mangelt es an der Umsetzbarkeit der technischen Lehre. Die klare Darstellung der technischen Lehre ist eine Patentierbarkeitsvorausetzung und umfaßt die Umsetzbarkeit der technischen Lehre, die sich wiederum aus der Patentschrift bzw. der Anmeldung ergibt.
Ebenso wenig können nach § 1 Abs. 2 und 3 PatG [13]und Art. 52 Abs. 2 und 3 EPÜ [14]wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten, sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen und die Wiedergabe von Informationen als solche patentrechtlich geschützt werden. Es bleibt auf diesen Gebieten dahingestellt, ob es sich um eine Erfindung handelt, oder nicht, weil derartige Erfindungen für den Patentschutz nicht zugänglich sind.
Weiter kann gemäß § 2 PatG[15]und Art. 53 EPÜ[16]kein Patentschutz für Erfindungen erteilt werden, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sowie Pflanzensorten (siehe Sortenschutz) oder Tierarten, sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Ob man diese Ausnahmen von der Patentierbarkeitals Einschränkungen des Erfindungsbegriffs versteht oder als Ausschluss von Erfindungen von der Patentierbarkeit, ist im Wesentlichen eine Frage der Terminologie.
Jedoch ist es möglich, Verfahrenzur Nutzung oder Anwendungvon Entdeckungen zu patentieren; daher sind zum Beispiel Patente auf eine Heilmethode, die auf der Entschlüsselung des menschlichen Genoms basiert, erteilungsfähig, was von den Gegnern solcher Patente oft als Patent auf Lebenbezeichnet wird.
Auch die Abgrenzung zwischen technischen Erfindungen und nicht-technischen Erfindungen bereitet oft Probleme, insbesondere bei den so genannten computerimplementierten Erfindungen (oft als Software- Patentbezeichnet) ist die Beurteilung des technischen Beitrageszum Stand der Technikschwierig. Als Grundregel ist Technizität gegeben, wenn sich eine technische Wirkung ergibt, die über das blosse Ablaufen in einem Computer hinausgeht. Zur Untersuchung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik werden jedoch nur Erfindungsmerkmale betrachtet, die vom Stand der Technik nicht nahegelegt werden, und die technisch sind. Kurz: nur technische Merkmale können den Erfindungsgegenstand erfinderisch machen.
6.4.2 Neuheit
Neu ist eine Erfindung, wenn sie nicht zum „Stand der Technik“ gehört (§ 3 PatG[17]und Art. 54 EPÜ[18]). Den Stand der Technikbildet alles, was vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeitdurch schriftlicheoder mündliche Überlieferungoder auf irgendeine andere Weise zugänglich war. Dazu zählen auch Veröffentlichungen des Erfinders selbst: Hat er seine Erfindung bereits öffentlich, etwa auf einer Messe präsentiert, so ist dies für sie bereits "neuheitsschädlich". Im deutschen und im europäischen Patentsystem kann jedoch eine Neuheitsschonfrist geltend gemacht werden, wenn die Offenbarung seitens des Erfinders auf einer eingetragenen internationalen Messe stattfindet, oder wenn die Offenbarung eine Verletzung einer Geheimhaltungsabrede darstellt, wie sie bei firmenübergreifenden Kooperationen üblich ist, oder die sich auch implizit aus einem Beschäftigungsverhäktnis ergeben kann.
Die Neuheit beurteilt sich nach der beanspruchten Erfindung, d.h. der Kombinationaller beanspruchten Merkmale; es ist also unschädlich, wenn einzelne oder alle Merkmale der Erfindung für sich bereits bekannt waren. Denn selbst wenn alle Elemente für sich genommen bekannt gewesen sind, so kann doch ihre Kombination in der konkreten Vorrichtung oder in dem konkreten Verfahren noch unbekannt gewesen sein. Für die Patentfähigkeit ist dann jedoch noch die erfinderische Tätigkeit (in Deutschland oft: Erfindungshöhe) ausschlaggebend.
Der Neuheitsbegriff unterliegt keiner zeitlichen oder räumlichen Beschränkung, da alles, was vor dem Anmeldetag bekannt war, berücksichtigt wird. Auch wieder aufgetauchtes Wissen zählt als neuheitsschädlich, auch wenn es vollständig vergessen war (bspw. einHeilmittel, das in einer Mumiegefunden wurde).
Um Doppelpatentierungen zu verhindern, werden zur Neuheitsprüfung auch früher eingereichte Patentanmeldungen innerhalb des selben Patentsystems herangezogen, auch wenn diese zum Anmeldetag noch nicht offengelegt waren (so genannte ältere, nachveröffentlichte Anmeldungen). Dadurch bildet die früher eingereichte Anmeldung neuheitsschädlichen Stand der Technik gegenüber der jüngeren Anmeldung(first to file - sieheoben). Wird also zum Beispiel eine Anmeldung am 8. Januar 2002 eingereicht und für die selbe Erfindung am 9. Januar 2002 eine weitere, dann kann für die spätere Anmeldung mangels Neuheitkein Patent erteilt werden. Sollte die Anmeldung jedoch in verschiedenen Ländern, d.h. in verschiedenen Patentsystemen erfolgen, so können beide Patente in ihrem jeweiligen Geltungsbereich auch nebeneinander existieren.
6.4.3 Erfinderische Tätigkeit (Erfindungshöhe)
Eine technische Weiterentwicklung ist nur dann eine patentierbare Erfindung, wenn sie sich für "den durchschnittlichen Fachmann, der den gesamten Stand der Technik kennt" (eine Rechtsfiktion, keine reale Person), nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (§ 4 Satz 1 PatG[19], Art. 56 Satz 1 EPÜ[20]). Das heißt, es fehlt an Erfindungshöhe, wenn man von diesem Fachmann erwarten kann, dass er, ausgehend vom Stand der Technik auf diese Lösungalsbald und mit einem zumutbaren Aufwand gekommen wäre, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Dieses Kriterium ist nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, des Bundesgerichtshofsund der technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtsrein objektiv zu verstehen. Es spielt keine Rolle, wie die zu beurteilende Erfindung tatsächlich gemacht worden ist und ob sie subjektiv für den Erfinder eine besondere Leistung bedeutet hat.
Mangelnde Erfindungshöhe führt in der allgemeinen Praxis recht häufig zur Zurückweisung der Patentanmeldung und ist in der weit überwiegenden Zahl des Widerrufs oder der Nichtigerklärung von Patenten der maßgebende Grund.
Allerdings verursacht die Beurteilung der Erfindungshöhe in der Praxis eine gewisse Unsicherheit, weil sie nur in Kenntnis der Erfindung erfolgen kann (rückschauende Betrachtungsweise) und damit maßgeblich von einem Werturteil und auch der subjektiven Auffassung des Urteilenden abhängt. Diesem Problem wird in der Praxis des Europäischen Patentamtes dadurch begegnet, dass aus dem technischen Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik auf die dadurch gelöste technische Aufgabe geschlossen wird und die erfinderische Tätigkeit danach beurteilt wird, ob die Lösung dieser Aufgabe im Licht des Standes der Technik naheliegend war (Aufgabe-Lösungs-Ansatz).
Für Erfindungen, die für ein Patent nicht die erforderliche Erfindungshöhe aufweisen, bestand früher die Möglichkeit, über eine nationale GebrauchsmusteranmeldungSchutz zu erlangen, weil das Gebrauchsmuster eine niedrigere Erfindungshöhe (erfinderischer Schritt) erforderte. Dies ist seit BGH - Beschluss vom 20. Juni 2006 - Az: X ZB 27/05 (Demonstrationsschrank) wohl nicht mehr der Fall. Vielmehr erfordert das Gebrauchsmuster nun praktisch ebenfalls einen erfinderischen Schritt im Sinne des Patentgesetzes (strenggenommen nur ein Indiz für die Eintragungsfähigkeit, wie dieses Indiz jedoch wiederlegt werden könnte ist bisher unbekannt).
6.4.4 Gewerbliche Anwendbarkeit
Die Erfindung muss ferner auf irgendeinem gewerblichen Gebiet -- einschließlich der Landwirtschaft -- anwendbar sein (§ 5 Abs. 1 PatG[21], Art. 57 EPÜ[22]).
Dadurch sind nach der heute insbesondere in den romanischen Ländern (FR, BE, ES) noch lebendigen Patentrechtstradition Erfindungen von der Patentierung ausgeschlossen, die nicht funktionieren, noch nicht technisch umsetzbar sind oder bei deren Umsetzung keine materiellen Erzeugnisse auf den Markt gebracht werden. In Deutschland existiert die „gewerbliche Anwendbarkeit“ kaum noch als eigenständiges Prüfkriterium, sondern wird vielmehr unter die Frage der Offenbarung der Erfindung in der Anmeldung (§ 34 Abs. 4 PatG[23]) subsumiert. Nach dem europäischen Patentrecht existiert neben der gewerblichen Anwendbarkeit ebenfalls die Erfordernis der ausreichenden Offenbarung (Art. 83 EPÜ[24]). In Deutschland wurde „industrial“/„industriell“ mit „gewerblich“ wiedergegeben, was wiederum auf internationaler Ebene oft als Argument für die Abschwächung des Begriffes verwendet wird.
Der Begriff der gewerblichen Anwendbarkeit wird am Europäischen Patentamt weit verstanden und ist in der Praxis von untergeordneter Bedeutung. Es kommt nicht darauf an, ob der beanspruchte Gegenstand tatsächlich in einemGewerbeangewandt wird. Es reicht aus, dass er in einem technischen Gewerbebetrieb hergestellt oder sonst verwendet werden kann. Daher sind beispielsweise auch Lehrmittel für die Schule oder Geräte zum liturgischen Gebrauch patentfähig. Es kommt auch nicht darauf an, ob man mit der Vorrichtung oder dem Verfahren „Geld machen“ kann, maßgebend ist allein, dass der beanspruchte Gegenstand außerhalb der Privatsphäre verwendet werden kann.
Nicht als gewerblich anwendbar gelten Verfahren zur chirurgischen und therapeutischen Behandlung und Diagnose[25]am menschlichen oder tierischen Körper (§ 5 Abs. 2 PatG, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 EPÜ). Dies gilt aber nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische[26], zur Anwendung in einem solchen Verfahren. Deshalb sind beispielsweise Operationsinstrumente und Arzneimittel (wegen ihrer Herstellbarkeit in einem technischen Gewerbebetrieb) durchaus gewerblich anwendbar.
Die Diplomatische Konferenz vom November 2000 hat ferner beschlossen, Art 52(4) EPÜ zu streichen, so dass dieser letzte Rest der traditionellen Bedeutung von „gewerbliche Anwendung“ („industrial application“ / „application industrielle“) aus dem Gesetz verschwindet und es somit noch schwerer wird, diesem Prüfkriterium seinen ursprünglichen Sinn zurückzugeben. Da der Absatz jedoch lediglich in den Art. 53 EPÜ (Ausnahmen von der Patentierbarkeit) verschoben wurde, wird sich wohl in der Praxis wenig ändern.
Das Europäische Parlament hat sich in seiner Abstimmung vom 24. September 2003 über die Softwarepatent-Richtlinie gemäß einem einer Vielzahl von Änderungsvorschlägen in Art. 2d für eine Neudefinition von „industriell“ als „mit der automatischen Erzeugungmaterieller Güter verbunden“ ausgesprochen. Die entsprechende Vorlage sowie deren Vorgänger wurde vom EU-Rat (Arbeitsgruppe der nationalen Patentämter) abgelehnt. Durch eine solche Definition würden nämlich jedes nicht-automatische Erzeugungsverfahren und jedes Verfahren, das kein Erzeugungsverfahren ist, vom Patentschutz ausgeschlossen, d.h. sehr viele Erfindungen, die jetzt unbestritten patentierbar sind, wären dann nicht mehr patentierbar.