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6.6 Wirkungen des erteilten Patents
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Ein Patent des EPAentfaltet
in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, gemäß Art. 64(1)
EPÜ dieselbe Wirkung wie ein nationales Patent dieses Vertragsstaates. Fragen der
Patentverletzung werden nach nationalem Recht beurteilt, in Deutschland also nach dem PatG.
Mit der Erteilung eines Patents durch das Patentamtwird dem Patentinhaber für die Dauer der
Patentlaufzeit ein Ausschließlichkeitsrecht an der geschützten Erfindung verliehen. Aus
Verkehrsschutzgründen besteht vor der Patenterteilung lediglich der Anspruch auf
Entschädigung gemäß § 33 PatG[29], das heißt der Patentanmelder kann die Zahlung einer
hypothetischen Lizenzgebühr verlangen. Zu beachten ist allerdings, dass nach § 58 (2)
PatG[30]der Anspruch auf Entschädigung als von Anfang an nicht eingetreten gilt, wenn die
Anmeldung nicht zur Erteilung führt, also zurückgenommen oder zurückgewiesen wird.
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Laut § 14 PatG[31],
Art. 69 EPÜ (mit separatem Auslegungsprotokoll) wird der Schutzbereich
von Patenten durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen
sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dadurch soll Dritten die
Schutzrechtsrecherche vereinfacht werden.
Neben der wortlautgemäßen Benutzung des beanspruchten Gegenstandes erstreckt sich der
Patentschutz je nach nationalem Recht auch auf Äquivalente der Erfindung, das heißt auf die
im Wesentlichen gleiche Wirkung bei Einsatz der im wesentlichen gleichen Mittel.
Abwandlungen, die auf einer erfinderischen Tätigkeit des Benutzers beruhen, sind allerdings
nicht vom Schutz mit umfasst.
Umgekehrt steht dem Benutzer der sogenannte Formstein-Einwand offen: Ein Patent wird
nicht verletzt, wenn die als äquivalent anzusehende Ausführungsform im Prioritätszeitpunkt zum
Stand der Technik gehörte, also nicht hätte als solche patentiert werden können.
In solchen Konstellationen ist freilich der Bestand des Klagepatents zweifelhaft, weil mangelnde
Neuheit der patentierten Erfindung nahe liegt. Dies ist allerdings wegen der Zweigleisigkeit des
Rechtszuges in Patentsachen eine Frage des Patentnichtigkeitsverfahrens, während
derFormstein-Einwandim Patentverletzungsverfahren zum Zuge kommt.
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Ein Patent verleiht seinem Inhaber nur bedingt ein positives Benutzungsrecht, wie sich daraus
ergibt, dass § 9 S. 1 PatG[32]für die Benutzungsbefugnis des Patentinhabers auf den „Rahmen
des geltenden Rechts“ verweist. Die Patentierung hat primär zur Folge, dass die Erfindung
grundsätzlich von niemand anderem als dem Patentinhaber selbst gewerblich benutzt werden
darf. Ob aber eine (patentierte oder nicht patentierte) Erfindung vom Patentinhaber auch
tatsächlich benutzt werden darf, beispielsweise im Falle der Erfindung eines
Arzneimittelwirkstoffes durch die Vermarktung eines Arzneimittels, richtet sich nach den
allgemeinen Vorschriften, also etwa dem Arzneimittelgesetz mit einem besonderen
Zulassungsverfahren. Diese dem Schutz der Verbraucher vor unsicheren Präparaten dienenden
Bestimmungen (s. Polizeirecht) werden vom Patentamt auch gar nicht geprüft. Hinsichtlich
relativer Rechtspositionen gegenüber anderen Schutzrechten und/oder Gegenrechten kann das
dem Wortlaut des Gesetzes nach bestehende „positive Benutzungsrecht“ in besonderen Fällen
von Bedeutung sein.
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Der Patentinhaber erhält gemäß § 9 PatG[33]das Recht, andere von der Benutzung der
Erfindung[34]auszuschließen, das heißt bei Erzeugnispatenten es Dritten zu verbieten,
das
Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringenoder zu gebrauchen. Bei
Verfahrenspatenten erstreckt sich der Patentschutz neben der Anwendung des erfundenen
Verfahrens auch auf solche Gegenstände, die unmittelbar durch dieses Verfahrens hergestellt
wurden (auch Art. 64(2) EPÜ). Die Rechtszuweisung gemäß § 9 PatG[35]wird ergänzt durch
einen entsprechenden Unterlassungsanspruch nach § 139 Abs. 1 PatG[36].
Der Patentinhaber kann seine vermögensrechtlichen Ansprüche ganz oder teilweise (allerdings
nicht sein Erfinderpersönlichkeitsrecht in toto) gem. §§ 15, 23 PatG[37]durchLizenzauf andere
übertragen.
§ 11 PatG sieht bestimmte Ausnahmen von der Wirkung des Patents vor[39]. So erstreckt sich
die Schutzwirkung eines Patentes nicht auf den privaten Bereich, das heißt jedermann kann
eine patentierte Erfindung für den persönlichen Gebrauch benützen. Weiterhin ist die
Benutzung zu Versuchszwecken freigestellt. Was ein Versuch genau ist, führt immer wieder zu
Streit, jedoch wird diese Vorschrift europaweit so ausgelegt, dass ein Versuch jedes
planmäßige Vorgehen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse ist, wobei sich diese Erkenntnisse auf
die benutzte Erfindung selbst beziehen müssen. Durch das Versuchsprivileg von den Wirkungen
des Patents freigestellt sind daher u.a. Versuche zur Überprüfung der Patentierbarkeit einer
Erfindung oder zu Weiterentwicklungs- und Umgehungszwecken. Trotz Versuchsanordnung
weiterhin verboten ist jedoch die routinemäßige Benutzung von geschützten Laborgeräten bei
Versuchen, die sich auf andere Gegenstände beziehen. Weitere Ausnahmen von der
Schutzwirkung sind die Vorbenutzungund die unmittelbare Einzelzubereitung eines
Medikamentes durch einen Apothekerauf Grund ärztlicher Verordnung.
Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist daneben der Grundsatz der Erschöpfung, demzufolge die
Erfindung verkörpernde Gegenstände nicht mehr vom Ausschließlichkeitsrecht des
Patentinhabers erfasst werden, sobald sie durch den Patentinhaber selbst oder mit dessen
Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind.
Schließlich ermöglichen §§ 13, 24 PatG[40][41]als Enteignungsvorschriften i. S. v. Art. 14 Abs. 3
GG[42]bei Vorliegen eines entsprechenden öffentlichen Interesses die Erteilung von
Zwangslizenzen durch das Bundespatentgericht (BPatG). Große praktische Bedeutung haben
diese Bestimmungen allerdings nicht erlangt.
Es besteht in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern keine Benutzungspflicht, das
heißt der Halter muss das Patent weder lizenzieren, noch ist er gezwungen, die Erfindung selbst
zu verkaufen, wobei der Schutz dennoch aufrecht bleibt.
Die Schutzwirkung tritt mit dem Tag der Veröffentlichung der Patenterteilung ein. Durch
Nichteinzahlung der jährlichen Gebühren kann die Schutzdauer auch abgekürzt werden. Diese
Jahresgebühren steigen jedes Jahr an, um nicht mehr benötigte Patente möglichst bald frei zu
bekommen. Auch der Schaden, der in der Zukunft durch das Verbotsrecht entsteht, wird
immer größer.
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Neben dem Unterlassungsanspruchhat der in seinem Ausschließlichkeitsrecht verletzte
Patentinhaber gemäß § 139 Abs. 2 PatG[43]Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Verletzer
vorsätzlichoder fahrlässiggehandelt hat. Dabei wird der Kreis der fahrlässigen Handlung von
der Rechtsprechung herkömmlich sehr weit gezogen, weil von jedem, der eine Vorrichtung
gewerblich benutzt oder ein Verfahren gewerblich anwendet, verlangt werden kann, dass er
sich über die Schutzrechtslage auf dem jeweiligen technischen Gebiet unterrichtet.
Der Schadenersatz kann nach der Rechtsprechung durch drei verschiedene Methoden
errechnet werden. Es sind dies der entgangene Gewinn, die Lizenzanalogieund
die Herausgabe
des Verletzergewinns. Der Verletzte kann daher nach seiner Wahl entweder verlangen, dass er
den Gewinn ersetzt erhält, den er sonst durch die eigene Benutzung des Patents erwirtschaftet
hätte, oder so gestellt wird, als ob er mit dem Verletzer einen Lizenzvertrag zu den
marktüblichen Bedingungen abgeschlossen hätte, oder dass ihm der vom Verletzer konkret
erzielte Gewinn herausgegeben wird. Erstere Variante ist dabei jedoch eher unüblich, weil zur
Bestimmung des entgangenen Gewinns die Offenlegung der Bücher des Unternehmens
gefordert und dieser Forderung im Allgemeinen nicht gern nachgegangen wird. Problematisch
war hier weiterhin, dass der Verletzer durch Berücksichtigung seiner Gemeinkosten seinen
herauszugebenden Gewinn sehr stark reduzieren konnte. Mit der Entscheidung
„Gemeinkostenanteil“ hat der BGHdieses jedoch beschränkt, so dass die Herausgabe des
Verletzergewinns in jüngster Zeit beträchtlich an Bedeutung gewonnen hat.
Neben Schadensersatz kann der Patentinhaber von einem Patentverletzer auch Herausgabe der
ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB[44]verlangen, was in Fällen
fehlenden Verschuldens des Patentverletzers von Bedeutung ist.
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Daneben hat der verletzte Patentinhaber gemäß § 140b PatG[45]Anspruch auf Auskunftüber die
Herkunft und den Vertriebsweg des benutzten Erzeugnisses. Dabei sind Angaben zu machen
über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, des
gewerblichen Abnehmers oder Auftraggebers sowie über die Menge der hergestellten,
ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse. Weiter hat der Verletzte nach einer
zuGewohnheitsrechterstarkten richterlichen Rechtsfortbildung Anspruch auf Auskunft über die
zur Berechnung des Schadenersatzanspruchs erforderlichen Tatsachen. Die Auskunft muss den
Verletzten in die Lage versetzen, sich zwischen den oben genannten drei Arten des
Schadensersatzes zu entscheiden. Die Auskunft ist schriftlich und in geordneter Form zu
erteilen. Man spricht deshalb auch von der Rechnungslegung.
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Darüber hinaus kann der verletzte Patentinhaber gemäß § 140a PatG[46]verlangen, dass das im
Besitz oder Eigentum des Verletzers befindliche Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist,
vernichtet wird, es sei denn, dass der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand des
Erzeugnisses auf andere Weise beseitigt werden kann und die Vernichtung für den Verletzer
oder Eigentümer im Einzelfall unverhältnismäßig wäre. Ein Vernichtungsanspruch besteht auch,
wenn es sich um ein Erzeugnis handelt, das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents
ist, unmittelbar hergestellt worden ist.
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Diese Rechte kann der Patentinhaber bei Verletzung seines Patents vor Gericht im
Zivilprozessgegen den Verletzer durchsetzen.
Der Patentinhaber kann zur schnelleren Durchsetzung seiner Rechte auch einstweilige
Verfügungenbeantragen. Die Gerichte gewähren in Patentstreitsachen jedoch nur bei einem
technisch einfachen Sachverhalt und klaren Verletzungsformen eine einstweilige Verfügung im
Beschlussweg. Oft werden einstweilige Verfügung in Patentsachen deswegen zurückgewiesen,
weil nach Ansicht des Gerichts der technische Sacherverhalt sich für ein Verfügungsverfahren
nicht eignet. Wie in allen Fällen der einstweiligen Verfügung, kann diese ohne rechtliches
Gehörfür den Antragsgegner erlassen werden. In diesem Fall kann der Antragsgegner durch
den Widerspruchdie Durchführung einer mündlichen Verhandlung erreichen, in der über die
Rechtsmäßigkeit der einstweiligen Verfügung zu entscheiden ist. Erweist sich der Antrag
nachträglich als unbegründet, hat der Antragsteller dem Antragsgegner gem. § 945
Zivilprozessordnung[47]allen Schaden unabhängig von seinem Verschuldenzu
ersetzen.
Da die vorsätzlichePatentverletzung
gemäß § 142 Abs. 1 PatG[48]eine Straftatist, können,
ebenso ohne Vorwarnung, strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen wie Haus- und
Betriebsdurchsuchungen sowie Kontensperrungen vorgenommen werden. Im 19. Jahrhundert
wurde eine Patentverletzung in erster Linie als Straftat aufgefasst. Dies ergibt sich z. B. aus den
Gesetzesmaterialien wie der RT- Drucksache Nr. 8, 3 Legislaturperiode, 1, Session 1877.
Damals wurden in der amtlichen Entscheidungssammlung desReichsgerichtsmehr Straf- als
Zivilentscheidungen veröffentlicht. Auch nach dem Krieg hielt der Gesetzgeber an der
Strafvorschrift fest und hat sie z.B. 1981 neu formuliert.
Die strafrechtliche Verfolgung von Patentverletzern ist in der Praxis heute jedoch nur von
geringer Bedeutung, da der Patentinhaber oft kein Interesse an einer Strafverfolgung des
Patentverletzers hat. Insbesondere muss der Patentinhaber hierzu Vorsatz des Patentverletzers
nachweisen. Es sind Tendenzen zu erkennen, gegen Importeure von patentverletzenden
Billigkopien aus dem Ausland auch auf diese Weise vorzugehen.
Der Inhaber eines US-Patents kann für dessen territorialen Anwendungsbereich weiters ein
Verfahren gegen den vermuteten Verletzer der Ansprüche einbringen, in dessen Verlauf sogar,
wenn in den USA das so genannte willful infringement festgestellt wird, dreifache
Schadenssummen eingeklagt werden können.
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